Auch nach dem offenen Brief an die Innenminister erklärt sich keine Stelle bereit, Änderungen anzustoßen. Der Grund: Die Notfallhilfe fällt offiziell in keinen Zuständigkeitsbereich. Diese Zuständigkeiten müssen zunächst geschaffen werden – deswegen gründen wir die „Arbeitsgemeinschaft Rettungsdienst Nordwürttemberg“ und weitere Fachgremien unter dem Vorsitz von Siegfried Steiger. Aus ihnen gehen später die „Landes-Rettungsdienstausschüsse“ oder die „Ständig Konferenz Rettungsdienst beim Bundesverkehrsminister“ hervor.
Um einen Notruf über einen Fernsprecher abzusetzen, benötigte man 20 Pfennig. Damit im Notfall nicht das passende Kleingeld fehlt, initiieren wir symbolische Aktionen mit Pappkarten. Diese enthalten zwei 10-Pfennig Münzen und werden verteilt sowie in öffentlichen Fernsprechern aufgehängt. Nachdem die Bundespost Anfang der 70er Jahre die Einrichtung des münzfreien Notrufs angeboten hatte, üben wir nochmals Druck auf die Innenminister der Länder aus.
Erst 1984 wurde der münzfreie Notruf beschlossen.
Das Bundesverkehrsministerium installiert testweise 100 Notruftelefone in verschiedenen Bundesländern. Jedoch weigern sich Letztere, sich an den Kosten zu beteiligen. Deswegen verfolgt der Bund den Test nicht weiter. Wir finden das untragbar und bestücken selbst insgesamt 35.000 Kilometer Bundes- und Landstraßen mit Notruftelefonen.
Die meisten Notruftelefone mussten einen eigenen Telefonhauptanschluss haben, der monatlich von der Bundespost mit DM 27,50 abgerechnet wurde.
Mit Unterstützung der Motor-Presse-Stuttgart finanzieren wir einen voll ausgerüsteten Notarztwagen, um ihn einer deutschen Stadt zu übergeben. Die Auflage: Rund um die Uhr muss ein Notarzt zur Verfügung stehen. Diese Auflage will aber keine Großstadt erfüllen. Erst nach der Berichterstattung in den Medien organisiert die Stadt Stuttgart einen Notarztdienst. Das war der Start für das bundesdeutsche 24-Stunden-Notarztsystem.
Stuttgarts OB Klett konnte zunächst keine Besatzung garantieren: "Schenken Sie mir ein neues Müllfahrzeug, das kostet ebenso viel!"
Die nach dem Krieg gebauten Autobahnen haben kein Notrufsystem – anders als die Autobahnen aus der Vorkriegszeit. Diese werden jedoch weitestgehend nicht genutzt, deswegen zieht das Bundesverkehrsministerium in Erwägung, sie abzubauen. In einem Gespräch überzeugt Siegfried Steiger Bundesverkehrsminister Georg Leber vom Erhalt der alten Systeme sowie der notwendigen Neubestückung mit modernen Notruftelefonen. Außerdem erreichen wir, dass ab 1973 an allen neuen Autobahnen stationäre Notruftelefone aufgebaut werden.
Die Autobahnmeldeanlagen dienten lediglich der Wartung und waren nicht für Notrufe vorgesehen.
In einem Notfall ist schnelle Hilfe oft überlebenswichtig – häufig muss sie bereits auf dem Weg ins Krankenhaus erfolgen. Bis Ende 1971 werden Verletzte und Kranke meist nur mit Krankenwagen ohne medizinische Einrichtung und ohne betreuenden Rettungssanitäter transportiert. Das ändert sich erst, nachdem wir jedem Bundesland einen Rettungswagen mit voller medizinischer Ausrüstung übergeben haben. Das ist die Geburtsstunde des Rettungsdiensts in der Bundesrepublik.
In vielen Bundesländern war es der erste Rettungswagen überhaupt. Die Kosten wurden teilweise durch Benefizschallplatten getragen.
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Mehr InformationenDie Bundesregierung kann den für den Großraum Frankfurt zugesagten Rettungshubschrauber nicht finanzieren — und auch der ADAC revidiert seine Finanzierungszusage. Deshalb kaufen wir in Eigenregie aus den Erlösen einer Benefizschallplatte und durch die Verpfändung des Wohnhauses der Familie Steiger den Rettungshubschrauber Christoph 2 und übergeben ihn an das Bundesinnenministerium. Damit ist eine der schwierigsten Krisen zu Beginn der zivilen Luftrettung überwunden.
Wegen angeblich strenger Gewichtsvorgaben wollte man zunächst nicht den Steiger-Stern auf den gelben Helikopter lackieren. Vor der Übergabe ließ Siegfried Steiger deshalb den Hubschrauber wiegen: Er war 82 Kilo zu schwer. Um dennoch eine Zulassung zu erreichen, ließ er den Tank verkleinern. Dies hatte zur Folge, dass andere Betreiber ebenfalls ihre Bo-105-Maschinen wiegen ließen: Alle waren zu schwer! Daraufhin war zunächst Christoph 2 die einzige Maschine ihrer Art, die eine Flugerlaubnis hatte.
Die flächendeckende Finanzierung der Luftrettung ist für die Bundesregierung nicht machbar. Deshalb sorgen wir für den Aufbau und die Finanzierung der ersten zivilen Luftrettungsorganisation in Deutschland: der Deutschen Rettungsflugwacht (DRF).
Während der Eröffnung des ersten Luftrettungszentrums in Stuttgart wird der Hubschrauber alarmiert: Ein schwerer Autounfall zwischen Tübingen und Stuttgart.
Wir starten das eigenfinanzierte „Rettungsmodell Rems-Murr“. Im Rahmen dieser wissenschaftlichen Strukturanalyse wird erstmals eine vollständige Personal- und Materialberechnung für einen wirtschaftlich finanzierbaren Rettungsdienst erhoben. Am 25. März 1974 wird das Modell vom Kreistag übernommen und später dann zum Muster für die bundesweite Notfallhilfe. Die damals errechneten Werte sind bis heute gültig. Schon 1973 fordern wir Zentral-Leitstellen für mehrere Millionen Einwohner.
Mit diesem Projekt wurde erstmals in Europa eine flächendeckende Notfallhilfe mit zentraler Rettungsleitstelle geschaffen.
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Mehr InformationenIm Frühjahr 1973 führen wir die Notrufnummern 110/112 in allen Ortsnetzen der deutschen Bundespost im damaligen Regierungsbezirk Nordwürttemberg ein. Die bundesweite Einführung scheitert jedoch – daraufhin verklagt Siegfried Steiger das Land Baden-Württemberg und die Bundesrepublik Deutschland vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart auf Einführung der Notrufnummer (AZ: II 139/73). Die Klage wird am 3. September 1973 erwartungsgemäß abgelehnt, führt aber zu einer breiten Unterstützung durch die Öffentlichkeit.
Die Notrufnummern 110 für Polizei und 112 für Feuerwehr und Rettungsdienst gab es in Deutschland schon seit 1956. Aber nur wenige Großstädte hatten sie geschaltet.
Schwerverletzte eingeklemmte Unfallopfer müssen Anfang der 1970er Jahre oft lange auf ihre Bergung warten, weil die schweren Rüstwagen der Feuerwehr zu spät oder gar nicht zum Unfallort kommen. Um eingeklemmte Unfallopfer schneller bergen zu können, entwickeln wir zusammen mit der Stuttgarter Feuerwehr einen geländegängigen Schnellbergungswagen (SBW). Wir finanzieren mehr als zehn dieser Fahrzeuge.
Heute sind die Nachfolger unter dem Namen "Vorausrüstwagen" (VRW) weltweit im Einsatz.
Nach der systematischen Einführung des Notarztsystems treten Probleme an der Schnittstelle zwischen Rettungsdienst und Notaufnahme auf. Patienten kommen zwar schnell ins Krankenhaus, dort müssen aber zuerst einmal zeitaufwendig die Patientendaten erfasst werden. Die Behandlung beginnt dadurch häufig mit Verzögerung. Um keine Zeit zu verlieren, entwickeln wir den ersten europäischen Telematik-Notarztwagen, von dem aus die Patientendaten direkt per Funk in die Klinik übermittelt werden können. Leider muss der erfolgreiche Versuch nach einem halben Jahr abgebrochen werden, da die Deutsche Bundespost die notwendigen Funkfrequenzen nur für sechs Monate zur Verfügung stellt.
Bis 1974 hat die Bundesrepublik die höchste Säuglingssterblichkeit aller Industrienationen. Der Grund: die in Deutschland noch immer praktizierte Trennung von Entbindungs- und Kinderkliniken. Problematische Transporte ohne ärztliche Versorgung führen häufig zu Spätfolgen oder gar Todesfällen. Deshalb entwickeln und finanzieren wir den ersten Baby-Notarztwagen mit integriertem Transportinkubator. Die Säuglingssterblichkeit sinkt in den Entbindungskliniken im ersten Jahr um fast 70 Prozent. Insgesamt haben wir 14 Baby-NAWs finanziert.
Frühgeborene unter 1.000 Gramm werden damals noch "entsorgt". Heute haben bereits Kinder, die mit unter 500 Gramm zur Welt kommen eine Chance auf ein gesundes Leben.
Schon 1969 fordert Siegfried Steiger in seinem 15-Punkte-Programm ein Berufsbild für Rettungssanitäter. Nun geben wir einen weiteren wichtigen Anstoß hierfür und finanzieren die Ausbildung eines Rettungssanitäters des Deutschen Roten Kreuzes für zwei Jahre mit DM 50.000. Es schließen sich immer mehr Fachleute an.
Erst am 1. September 1989 wird das Berufsbild "Rettungsassistent" gesetzlich geregelt.
Im Juli 1976 werden bei einem Busunfall in Afghanistan 32 Westberliner schwer verletzt. Um politische Probleme beim Flug nach Berlin zu vermeiden, chartert Siegfried Steiger beim DDR-Verkehrsminister ein Großraumflugzeug der Interflug. Die Maschine startet in Stuttgart mit 30 Ärzten und Rettungssanitätern an Bord und fliegt die Verletzten von Kabul nach Ostberlin. Dort werden sie von 32 Westberliner Krankenwagen unkontrolliert durch die Sektorgrenze in West-Kliniken gebracht.
Nach einem Herzstillstand muss unmittelbar mit Wiederbelebungsmaßnahmen begonnen werden, ansonsten sinken die Überlebenschancen rapide. 1976 kommen die ersten Frühdefibrillationsgeräte auf den Markt. Am 22. April 1977 kaufen wir das erste Gerät und übergeben es dem nichtärztlichen Rettungsdienst in Ludwigsburg. Die Initiative scheitert am Widerstand der Ärzteschaft und Behörden, die darauf beharren, dass die lebensrettende Frühdefibrillation nur von Ärzten durchgeführt werden darf. Erst im Mai 2001 empfiehlt die Bundesärztekammer die Defibrillation durch Laien mit automatisierten externen Defibrillatoren.
Im Idealfall sind Notarzt, Rettungsassistent und Fahrer eines Notarztwagens in der gleichen Rettungswache stationiert. Wo dies nicht möglich ist, werden Notärzte nach der Alarmierung in der Klinik abgeholt. Dies führt zu erheblichen Zeitverzögerungen. Deshalb entwickeln wir ein NEF, mit dem Notärzte selbstständig zum Einsatzort fahren können. Das Fahrzeug wird 1979 auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt am Main erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Um die Verbreitung des NEF zu beschleunigen, schenken wir 1980 in Bonn den vier Hilfsorganisationen Arbeiter-Samariter-Bund, Deutsches Rotes Kreuz, Johanniter-Unfall-Hilfe und Malteser Hilfsdienst je ein NEF.
Heute sind NEFs fester Bestandteil des Rettungsdienstes.
An der Bundesstraße 14 wird am 28. August 1980 ein solarbetriebenes Notruftelefon in Betrieb genommen – der erste Großversuch für Solarversorgung im Niederspannungsbereich. Dem waren jahrelange Laborversuche vorausgegangen. Damit haben wir einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung von Niederspannungs-Solaranlagen geleistet. Leider kann der Versuch wegen zu hoher Kosten nicht fortgesetzt werden. Erst im Jahr 2000 sinken die Kosten einer Solaranlage so weit, dass von da ab ein Teil der Notruftelefone mit Solaranlagen versorgt werden kann.
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